Vielleicht hast du dich schon einmal gefragt, warum du dich so häufig gestresst fühlst, obwohl du eigentlich weißt, was du tust.
Warum dich ein zusätzlicher Termin sofort aus dem Gleichgewicht bringt.
Warum dein Puls steigt, wenn ein Meeting hitzig wird, obwohl du dir vornimmst, ruhig zu bleiben.
Oder du kennst diese Tage, an denen du von To-do zu To-do hetzt, aber am Ende das Gefühl hast, nichts wirklich geschafft zu haben. Vielleicht war das früher anders: du warst fokussierter, gelassener, klarer in deinen Entscheidungen.
Wenn du das kennst, liegt die Ursache oft nicht in mangelnder Kompetenz oder Organisation, sondern viel tiefer, nämlich in deinem Nervensystem. Genau das entscheidet darüber, ob du gesund führen kannst - oder ob Stress dich führt.
In diesem Artikel erfährst du,
- warum dein Nervensystem der unsichtbare Schlüssel für gesunde Führung ist,
- woran du erkennst, dass dein Nervensystem aus der Balance geraten ist,
- wie du es regulieren kannst, um mit mehr Ruhe, Präsenz und Klarheit zu führen.
Dein Nervensystem - die unsichtbare Grundlage deiner Führung
Unser Nervensystem ist das stille Fundament, auf dem unser Denken, Fühlen und Handeln aufbaut. Es reguliert, wie präsent, klar und ansprechbar wir als Führungskraft in herausfordernden Momenten sind. Ein zentraler Teil davon ist das autonome Nervensystem, das viele Prozesse steuert, ohne dass wir es merken. Es besteht aus zwei Hauptsystemen:
- Sympathikus: sorgt für Aktivierung, Energie und Handlungsfähigkeit.
- Parasympathikus: ermöglicht Regeneration, Verbindung und Ruhe
In Balance zu sein bedeutet: Wir können uns fokussieren, wenn es gefordert ist, und danach wieder entspannen. Doch bei vielen Führungskräften ist genau dieses Gleichgewicht verloren gegangen. Das Nervensystem ist dauerhaft im Stressmodus, weil die Anforderungen stetig hoch bleiben. Sie kommen gar nicht mehr in Phasen der Erholung, um Energie zu tanken.
Die Folge: Der Körper bleibt in Alarmbereitschaft; selbst dann, wenn keine echte Gefahr besteht. Genau hier zeigt sich, wie eng gesunde Führung mit dem Umgang mit Stress verbunden ist.

Woran du erkennst, dass dein Nervensystem aus der Balance ist
Ein dysreguliertes Nervensystem zeigt sich nicht immer offensichtlich. Oft sind es kleine Signale, die du lange übersiehst, bis sie dich schließlich ausbremsen.
Mentale Ebene
- Du fühlst dich schnell überfordert, selbst bei Routineaufgaben.
- Dein Fokus springt ständig, Prioritäten zu setzen fällt dir schwer.
- Entscheidungen kosten dich ungewöhnlich viel Energie, daher schiebst du sie gern.
Emotionale Ebene
- Du reagierst gereizt, obwohl du es gar nicht willst.
- Du merkst, dass du weniger empathisch bist oder dich innerlich leer fühlst.
- Emotionale Themen im Team strengen dich übermäßig an.
- Manchmal spürst du wirklich Panik oder Angst, so ganz aus dem Nichts.
Körperliche Ebene
- Flacher Atem, verspannter Kiefer/Nacken, dauerhafte Müdigkeit.
- Du hast Schlafprobleme und fühlst dich erschöpft, selbst nach einem freien Wochenende.
- Du hast Verdauungsprobleme und spürst auch weniger Lust - ja, über diese Symptome spricht keine Führungskraft offen.
Verhaltensebene
- Du triffst impulsive Entscheidungen.
- Du vermeidest Gespräche oder gehst in Kontrolle.
- Du ziehst dich zurück, weil du das Gefühl hast, nicht mehr „aufzuholen“.
- Du bist schnell reizbar oder überfordert - und ärgerst dich selbst darüber.
Diese Reaktionen sind kein Zeichen von Schwäche, sondern Hinweise auf ein überlastetes Nervensystem. Dein Körper versucht, dich zu schützen, aber dabei verliert er die Balance zwischen Aktivierung und Erholung.
Warum gesunde Führung mit einem regulierten Nervensystem beginnt
Gesunde Führung heißt nicht, nie gestresst zu sein. Sie bedeutet, mit Stress bewusst umzugehen, statt sich von ihm steuern zu lassen. Denn dein Nervensystem entscheidet, ob du in der Lage bist zu führen oder nur zu reagieren.
Ein reguliertes Nervensystem ist die Basis, auf der Selbstführung, Teamführung und Organisationsführung aufbauen. Es sorgt dafür, dass du präsent bleibst, klar denken kannst und auch in herausfordernden Momenten empathisch und handlungsfähig bleibst.
Im Folgenden zeige ich dir, welche vier Dimensionen dabei entscheidend sind:
1. Präsenz & Entscheidungsfähigkeit
Wenn dein Nervensystem ausgeglichen ist, hast du Zugriff auf deinen präfrontalen Cortex, also jenen Teil des Gehirns, der für Weitblick, Planung und bewusste Entscheidungen verantwortlich ist.
Du kannst Prioritäten setzen, Informationen abwägen und auch in Drucksituationen einen klaren Überblick behalten.
Ist dein Nervensystem dagegen dauerhaft aktiviert, übernimmt dein Überlebensmodus: Angriff, Flucht oder Erstarrung. Entscheidungen entstehen dann reflexhaft, nicht bewusst.
In der Praxis bedeutet das: Du triffst viele kleine Schnellentscheidungen, musst aber später einige davon korrigieren. Oder du triffst überhaupt keine Entscheidungen.
In diesen Momenten reguliert zu führen heißt, innezuhalten, den Körper zu beruhigen und bewusst zwischen Reiz und Reaktion zu wählen. Denn zwischen Reiz und Reaktion liegt der Raum, in dem Führung entsteht.
2. Empathie & Kommunikation
Ein reguliertes Nervensystem ermöglicht dir, wirklich präsent bei anderen zu sein - zuzuhören, ohne dich zu verteidigen, und zu sprechen, ohne zu verletzen. Du kannst Emotionen und Bedürfnisse wahrnehmen - sowohl deine eigenen als auch die deines Gegenübers.
In Stressphasen dagegen passiert häufig das Gegenteil:
Das Nervensystem geht in den Schutzmodus. Du wirst ungeduldig, reagierst gereizt oder verschließt dich innerlich. Nicht, weil du das willst, sondern weil dein Körper gerade in Alarm ist.
Gesunde Führung heißt hier:
- innehalten, bevor du sprichst,
- Emotionen als Information wahrnehmen, nicht als Bedrohung,
- Worte wählen, die klar und gleichzeitig wertschätzend sind.
Ein Beispiel:
Unreguliert sagst du vielleicht: „Du bist schon wieder zu spät, so geht das nicht!“
Reguliert sagst du: „Mir ist aufgefallen, dass du mehrfach verspätet kamst. Ich merke, dass ich gereizt bin, weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist. Was brauchst du, damit wir Termine künftig gut einhalten können?“
Diese Art der Kommunikation schafft Verbindung statt Verteidigung. Sie fördert Vertrauen, Offenheit und psychologische Sicherheit - das Fundament gesunder Teams.
3. Co-Regulation
Dein Nervensystem wirkt auf andere und zwar immer. Wenn du ruhig bleibst, regulierst du damit andere. Wenn du gestresst bist, überträgt sich das ebenso. Dieses Phänomen nennt man Co-Regulation.
Gerade in Teamsituationen ist das ein Schlüsselfaktor: Wenn du als Führungskraft geerdet und präsent bleibst, spüren das auch andere. In Meetings, bei Konflikten oder in Veränderungsprozessen senkt deine Regulation die kollektive Spannung und schafft Raum für Klarheit und Kreativität.
Dieser großen Wirkung solltest du dir als Führungskraft bewusst sein.
4. Stressresilienz & Selbstführung
Ein reguliertes Nervensystem stärkt deine Stressresilienz, die Fähigkeit, auch unter Druck handlungsfähig zu bleiben. Du erkennst frühzeitig deine Signale: flacher Atem, innere Anspannung, Müdigkeit. Statt darüber hinwegzugehen, kannst du bewusst handeln, z.B. mit einer Pause, einem Spaziergang oder einer klaren Priorisierung.
Hier schließt sich der Kreis zur Selbstführung. Wenn du dich selbst gut regulierst, kannst du gesünder führen - dich und dein Team.
Gesunde Führung ist also keine Methode, sondern ein Zustand. Ein Zustand, der in dir beginnt und auf dein Team wirkt.
4 Möglichkeiten, um dein Nervensystem zu regulieren und gesünder zu führen
1. Regulation vor Reaktion
Nimm dir in stressigen Momenten bewusst 60 Sekunden Zeit und folge meiner SOS-Formel:
- Stop: Halte inne und atme tief.
- Optionen: Frage dich, wie du jetzt reagieren könntest. Sammle bewusst verschiedene Möglichkeiten.
- Sicher weitergehen: Triff bewusst eine Entscheidung und gehe damit sicher weiter.
Diese einfache Formel („S-O-S“) unterbricht automatische Reaktionsmuster und bringt dich zurück in Selbstführung.
2. Atmung als Anker
Bewusste Atmung ist das einfachste Werkzeug zur Regulation, denn sie aktiviert deinen Parasympathikus. Dabei ist es wichtig, tief in den Bauch zu atmen, denn die meisten von uns atmen nur noch in den Brustkorb.
Setze dich kurz auf einen Stuhl, konzentriere dich auf deine Atmung. Wenn dir das gut gelingt, kannst du zudem darauf achten, länger auszuatmen (z.B. 6 Sekunden) als einzuatmen (z.B. 4 Sekunden).
3. Wahrnehmung erweitern
Wenn du dich in Gedanken verstrickst, bleibst du in einem "Tunnel" und in deinem Sympathikus-Modus gefangen. Hier hilft es, bewusst den weiten Blick zu suchen, um den Parasympathikus anzusprechen.
Was du dafür tun musst: Schau in die Ferne, sofern das von deinem Arbeitsplatz aus möglich ist. Ansonsten kannst du beide Zeigefinger vor deine Augen halten und langsam auseinander bewegen. Behalte dabei beide Finger im Blick. Es geht dabei nicht darum, den größtmöglichen Abstand zu schaffen, sondern vielmehr deinen Blickwinkel zu vergrößern.
4. Co-Regulation im Team fördern
All das waren Möglichkeiten, um dein eigenes Nervenssytem zu regulieren. Wie oben beschrieben, solltest du dir deiner Co-Regulation als Führungskraft ebenso bewusst sein. Setze diese gezielt ein, z.B. in Meetings, indem du diese achtsam startet, z.B. mit einer kurzen Check-In Runde oder einer stillen Minute.
Gesund führen bedeutet, bei dir zu beginnen
Gesunde Führung entsteht, wenn du lernst, dich selbst zu regulieren, bevor du andere führst.
Wenn du auf deinen Körper hörst, anstatt ihn zu übergehen.
Wenn du lernst, Stress als Signal zu verstehen, nicht als Schwäche.
So entsteht eine neue Form von Führung:
- Präsent statt reaktiv
- Klar statt überfordert
- Verbunden statt kontrollierend
Führung beginnt im Nervensystem und wirkt von innen nach außen.
Wenn du diese Verbindung zwischen innerer Regulation und gesunder Führung in deiner Organisation stärken möchtest: Ich begleite Teams und Unternehmen bei der Entwicklung gesunder Führungskulturen. Oder du möchtest persönlich an deiner Präsenz, Resilienz und Selbstführung arbeiten?
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