Warum Loben nicht immer hilft – 4 unterschiedliche Motivationen

Zurück zum Blog

Motivation ist wichtig 

Wie motiviert ist eigentlich dein Team? – Die Jobstudie von EY im Dezember 2021 zeigt, dass  ungefähr drei Vietel der Beschäftigten insgesamt motiviert bei der Arbeit sind. Damit ist der Wert in den letzten 2 Jahren wieder um 10% gestiegen. Der Anteil der äußerst motivierten ist bei 20% ungefähr gleichgeblieben.

Was können Führungskräfte aber machen, um die Motivation im Team zu fördern?

Im ersten Blogbeitrag dieser 4teiligen Serie habe ich bereits erwähnt, dass Teamarbeit motivierend sein kann, da für uns Menschen die soziale Eingebundenheit wichtig ist. Neben der Verbundenheit sind laut der Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan ebenso Kompetenzerleben und Autonomie Aspekte von Motivation. – Aber ist das bei allen gleichermaßen ausgeprägt?

Lasst uns da heute noch einmal tiefer eintauchen.

Ich kann mich noch an meine Arbeit im Verlag erinnern. Im ersten Jahr habe ich ein Schulbuchprojekt übernommen. Ich habe mich in die Projektleitung und Redaktion eingearbeitet, hier und da Inhalte und Prozesse optimiert und dem Konzept einen Feinschliff gegeben. Nach ungefähr 9 Monaten entstand die erste Langeweile und „was nun?“. Ich suchte für mich neue Herausforderungen in Innovations- und Coaching-Weiterbildungen und es dauerte nicht lange, bis ich auf Arbeit ein neues Projekt erhielt.

Gleiches Jahr, eine andere Mitarbeiterin bei mir im Team. Ich weiß nicht, wie lange sie schon die Arbeitshefte betreute. Für mich wirkte es wie ein „Stempeljob“ – tagein, tagaus ähnliche Aufgaben und Prozesse. Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, weshalb man dafür gern ins Büro kam, aber sie machte die Aufgaben tatsächlich gern. Sie wirkte weder unzufrieden noch unmotiviert.

Was steckt aber dahinter?

Ja klar, wir alle sind unterschiedlich und wir alle haben unterschiedliche Antreiber, die uns motivieren.

Was motiviert uns denn?

Zu dieser Frage gibt es sehr viele verschiedene Studien und Modelle. An dieser Stelle möchte ich auf die PSI-Diagnostik näher eingehen. Diese ist eine sehr komplexe Persönlichkeitstheorie, die versucht, den Menschen besser zu verstehen. Da sie sehr, sehr komplex ist, möchte ich heute nur einen Teilaspekt aufgreifen: die Motive.

Prinzipiell geht es bei der Theorie um drei Aspekte: das Bedürfnis – das Motiv – dem Umsetzungsstil.

Unter Bedürfnis können wir uns sicherlich alle etwas vorstellen, z.B. das Bedürfnis nach Wertschätzung. Die Frage stellt sich nun, wie wir dieses Bedürfnis befriedigen. Und da kommt das Motiv ins Spiel. Kuhl, der Begründer der PSI-Theorie, hat das Motiv als intelligentes Bedürfnis bezeichnet.

Was meint er damit?

Um zum Beispiel Wertschätzung zu erlangen, kann ein Mensch unterschiedlich vorgehen. Zum Beispiel, indem er Beziehungen aufbaut und darüber Wertschätzung erhält, oder indem er Leistungen erzielt, für die er dann Wertschätzung erfährt. Im ersten Fall hätte der Mensch ein Beziehungsmotiv (Anschlussmotiv) und im zweiten ein Leistungsmotiv, um sein Bedürfnis zu stillen. Das Motiv weiß also, wie es das Bedürfnis erfüllen kann, und ist gleichzeitig unser Beweggrund für Handlungen – also unser Antreiber.

Auf Grundlage von Untersuchungen unterscheidet Kuhl in seiner Theorie vier verschiedene Motive:

  • Beziehungsmotiv (Anschlussmotiv)
  • Leistungsmotiv
  • Machtmotiv
  • Freiheitsmotiv

Dabei vereinen die Motive unterschiedliche Ausprägungen – Macht ist zum Beispiel nicht gleich Macht. Ein Machtmotiv kann z.B. ein Arzt haben, der Menschen helfen möchte, aber auch ein Chef, der ganz feste Hierarchien in einem Unternehmen pflegt.

Was heißt das konkret für Teams? 

Ich versuche es am Beispiel eines Teamworkshops konkret zu machen:

Bei einem Team-Workshop sitzen in einem Raum 7 verschiedene Personen – eigentlich machen sie alle dasselbe, oder? Von außen betrachtet ja, wenn wir uns aber die Beweggründe anschauen, gibt es Unterschiede.

Und diese werden in der Vorstellungsrunde deutlich:

„Ich freue mich, hier mal zwei Tage in Ruhe mit meinem Team arbeiten zu können. Außerdem freue ich mich auf die Gespräche und die Gelegenheit, die Kolleg:innen einmal besser kennenzulernen. Dafür bleibt ja sonst im Büroalltag kaum Zeit.“ – Hurra, herzliches Willkommen Beziehungsmotiv.

Die nächste Teilnehmerin sagt: „Ich möchte gern konzentriert arbeiten und meine Perspektive einbringen, damit wir als Team gemeinsam wachsenkönnen. Ab und zu kommen wir immer zu Spannungen im Team und ich wünsche mir dafür eine Lösung. Ich hoffe, dass wir diese hier finden.“ – Und was vermutest du? – Ja, das ist das Machtmotiv. Die Teilnehmerin möchte etwas bewirken, sie möchte dem Team helfen und mit ihm wachsen.

Dann ist der nächste Teilnehmer dran: „Ich hoffe, dass ich hier Impulse erhalte und Neues lernen kann. Ich finde die Themen New Work sehr spannend.“ – Hier zeigt sich klar das Leistungsmotiv, sich selbst verbessern, seine Fähigkeiten ausbauen und Neues lernen.

Und dann ergänzt die nächste Teilnehmerin: „Ich habe einfach Lust auf diesen Workshop. Ich möchte auch gern mehr über mich erfahren, wo sehe ich mich im Team, welche Potentiale habe ich und wie kann es vielleicht weitergehen.“ – Dahinter versteckt sich das Freiheitsmotiv. Hier geht es vor allem um die eigene Selbstverwirklichung, unabhängig von anderen – das eigene Wachstum für einen persönlich steht im Vordergrund.

Ganz schön spannend – wir machen alle dasselbe, aber doch aus einem anderen Antreiber heraus.

Gleich geht es noch ein Stückchen weiter.

Aber überlege doch einmal selbst, weshalb machst du bestimmte Dinge: Weshalb lernst du zum Beispiel etwas Neues, z.B. eine Sprache? – Weil du dich damit mit anderen Menschen vernetzen kannst, weil du dich damit einer neuen Herausforderung stellen kannst, weil du damit vielleicht den nächsten Karriereschritt gehen und mehr bewirken kannst oder weil du dort einfach in deinem Element bist?

Als wäre das noch nicht genug mit den Motiven, unterscheidet Kuhl noch in unbewusste (implizite) und bewusste (explizite).

Unbewusste Motive entstehen vor allem aus einem persönlich heraus und werden überwiegend in offenen Situationen aktiviert. Sie entstehen durch Erfahrungen, vor allem in den ersten Jahren unserer Kindheit. Sie sind zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale, die relativ stabil sind. Sie sind vor allem als unsere Kraftquellen zu sehen.

Bewusste Motive dagegen werden vor allem durch Erwartungen und bewusste Ziele geprägt. Das Verhalten ist eher kurzfristig und eine Reaktion auf spezifische Situationen.

Es kann sein, dass die Motive in einem Konflikt stehen. Vielleicht glaube ich, dass ich zum After-Work-Event gehen muss, weil ich ja die anderen im Team nicht hängen lassen kann. Eigentlich ist mir aber eher nach Zeit für mich. Trotz der „Bauchschmerzen“ schleppe ich mich dann zum Event – und damit habe ich den Konflikt zwischen dem bewussten Beziehungsmotiv und dem unbewussten Freiheitsmotiv eine Bühne gegeben, die auf lange Sicht kräftezerrend ist. Daher ist es so wichtig, sich mit den unbewussten Motiven auseinanderzusetzen, da diese für die eigene Energie und Zufriedenheit essentiell sind. 

Wow, ganz schön komplex – oder?

Und was hat das jetzt mit Motivation und Führung zu tun?

Wie Studien auch zeigen, schätzen nicht alle Mitarbeiter:innen Aspekte, wie z.B. eine neue Herausforderung, Sicherheit am Arbeitsplatz, gleichermaßen motivierend ein. Dies hängt auch mit den Motiven zusammen.

Eine Person mit einem ausgeprägtem, unbewussten Beziehungsmotiv braucht vermutlich mehr Gespräche im Team und mit der Führungskraft. Für diese Person ist das Miteinander sehr wichtig und gemeinsame Teamevents wirken sehr motivierend. Hier darf es auch mal ein Lob oder ein Gespräch mehr sein.

Dagegen kann eine Beförderung für eine Person mit einem ausgeprägtem, unbewusstem Machtmotiv motivierend sein, weil derjenige darüber mehr Einflussmöglichkeiten erhält und mehr bewirken kann. Hier kann es sein, dass das 11. Lob dann nicht für mehr Motivation sorgt, sondern die Aussicht auf Wirkungsmöglichkeiten. Für den Beziehungsmensch könnte dies eher gegenteilig wirken, weil das soziale Netz damit wegfallen könnte.

Und was glaubst du jetzt, was mein Motiv in der Verlagsarbeit war? – Klingt ganz schön nach Leistungsmotiv, oder? Das ist es aber nicht. Bei mir persönlich ist das Freiheitsmotiv sehr ausgeprägt. Daher waren auch die Weiterbildungen für mich ein nächster guter Schritt, weil ich dort in meinem Element sein konnte. Zudem habe ich im späteren Projekt viel mehr Gestaltungsfreiheit bekommen, weil ich nicht mehr so in festen Redaktionsstrukturen integriert war, sondern mit meinem übergreifenden Team relativ agil arbeiten und gestalten durfte.

Hui, gar nicht so einfach. – Sollen jetzt alle Führungskräfte ihre Mitarbeiter:innen zur PSI-Diagnostik schicken? – Nein, viel wichtiger ist es, dass man sich der Unterschiede in den Motiven bewusst ist und versucht, diese im Führungsalltag wahrzunehmen. Zudem haben wir auch nicht nur ein ausgeprägtes Motiv. Der Mix ist hier immer entscheidend. Darüber hinaus gibt es in der Theorie auch noch die Umsetzungsstile, auf die ich jetzt nicht weiter eingegangen bin.

Es müssen auch nicht immer die knallharten Fakten & Ergebnisse einer Diagnostik vorliegen, damit wir die Menschen entsprechend führen können. Das Wissen zu so einer Theorie kann als Reflexionshilfe schon sehr unterstützend sein. Überlege daher für dein Team, welche Motive bei den einzelnen Teammitglieder:innen ausgeprägt sein könnten und wie diese durch die Zusammenarbeit und Führung noch besser genutzt werden können.

Inhalte

Autorin: Romy Möller

Mehr über mich und meine Angebote
Leadership Coaching: Berlin, bundesweit und online. Auf dem Bild ist Coach Romy Möller zu sehen, mit einem begeisterten Lächeln und voller Energie.